IN ERINNERUNG HANS B.PFITZER

11.02.2025

Hans Pfitzer an seinem Arbeitsplatz in der Villinger Richthofenstrasse 1970 (©Archiv MPS-Studio e.V. / German Hasenfratz)

Am 31. Januar ist Hans B. Pfitzer gestorben. Er leitete ab 1968 die Abteilung für Werbung & Public Relations für MPS-Records bis Frühjahr 1981.  Zuvor war er bereits seit Juli 1964 in der SABA-Werbeabteilung tätig.

1999 besuchte ich Hans Pfitzer für ein Interview in Niedereschach im Schwarzwald. Anlässlich der Buchveröffentlichung „MPS-Jazzin‘ the Black Forest“ plante ich einen Konzertabend mit Lee Konitz, Gunter Hampel Quintett & Wolfgang Dauner mit Ausstellung von ausgesuchten SABA/MPS Covern. Für das Programmheft sollte ein Artikel über die Grafik bei MPS entstehen, ein guter Anlass um Hans kennen zu lernen und zu seiner Tätigkeit bei MPS zu befragen.

Letztes Jahr meldete sich Hans, seine Gesundheit bereitete ihm immer größere Probleme, er war dabei seinen Haushalt aufzulösen und wollte, dass all die Erinnerungen an MPS-Records bei uns im Archiv des Vereins einen Platz finden. Eine Sammlung von Unterlagen, Anekdoten, Fotos, Aktennotizen, Korrespondenzen bis hin zur MPS-Krawattennadel (vom japanischen Vertrieb) oder Fotos mit Autogrammen von Oscar Peterson, Ella Fitzgerald oder Friedrich Gulda wurde uns übergeben. Eine große Quelle an Informationen, die uns helfen die damalige Struktur eines der wichtigsten europäischen Jazzlabels besser zu verstehen. Hans wurde dann auch unser ältestes Mitglied, sein spitzbübischer Humor war erfrischend. Ich besuchte ihn vor einigen Monaten für ein ausgiebigeres Interview. Die kursiv geschriebenen Zitate hier im Text sind zum Teil auch aus einer Niederschrift seiner Erinnerungen.

Bevor Hans Pfitzer 1968 zu MPS wechselte war er bei SABA beschäftigt und gestaltete dort bereits für SABA-Schallplatten Kataloge. (© Archiv MPS-Studio e.V.)

Pfitzer war, bevor er am 1. Juni 1968 bei MPS seine Arbeit aufnahm, nur 200 Meter Luftlinie vom MPS-Headquarter entfernt in der SABA-Werbeabteilung bis Ende 1967 tätig. Dann wechselte er nach Frankfurt zur bekannten BRAUN AG, seine Tätigkeit als Werbeleiter dort war nur ein kurzes Zwischenspiel, weil er nämlich in Villingen wieder dringend gebraucht wurde. Zudem lebte seine Familie immer noch im Schwarzwald.

„Es ist Anfang Mai 1968 als mich Mike Pfeiffer, MPS-Vertriebschef, anspricht und mir eine Position bei MPS anbietet mit gleichem Gehalt wie bei BRAUN. Der Frankfurt-Fahrerei überdrüssig, nehme ich das Angebot gerne an, kündige innerhalb der Probezeit.“

Nachdem SABA 1968 an den amerikanischen Konzern GTE verkauft wurde, entschloss sich Hans-Georg Brunner-Schwer, die von ihm in den früher 1960er Jahren ins Leben gerufene SABA-Records und das SABA-Studio, die bis dahin zum Konzern gehörten, unter neuem Namen selbst weiterzuführen, da die Amerikaner an der Musiksparte kein Interesse zeigten. So entstand MPS (Musik Produktion Schwarzwald) und die Firma nahm am 1.April 1968 ihre Arbeit auf. Hans Pfitzer arbeitete im Haus direkt an der Richthofenstrasse (heute wieder Wohngebäude), nicht im angrenzenden Haus wo Studio, Label und Verwaltung untergebracht war. Pfitzer gestaltete bereits schon vor seinem Wechsel zu MPS Prospekte von SABA-Schallplatten. Den damaligen technischen Direktor der SABA, Hans-Georg Brunner-Schwer, lernte er kennen, als dieser ihn bat eine LP für eine Graf-Zeppelin LP zu gestalten.

„Mein neuer Arbeitsplatz ist jetzt ein Wohnhaus an der Richthofenstrasse. Ein Ingenieur aus der SABA-Entwicklungsabteilung hatte hier mit seiner Familie gewohnt. Jetzt habe ich fünf Räume zur Verfügung. Im Eingangsbereich ist Platz für das Sekretariat. In die Küche daneben kommt die Hausdruckerei. Eine Kleinoffsetmaschine ist von HGBS genehmigt. Auf ihr will ich den Pressedienst drucken.“

Für Hans Pfitzer begann nun eine spannende Zeit, in seinen Erinnerungen schreibt er zu einem Foto, das ihn bei einem der legendären Hauskonzerte in der Villa Brunner-Schwer zeigt: „ich bekenne, dass durch die Passion und Musikbesessenheit des HGBS (Hans-Georg Brunner-Schwer), durch dessen Bereitschaft sehr viel Geld in seiner Domäne zu investieren, mir viel Spielraum und Gelegenheit geboten wurde, meine Kreativität zu leben. Mehr noch: ich durfte dazu noch ungewöhnlich viel Interessantes erleben.“

Hans Pfitzer (links) mit Erroll Garner (© Archiv MPS-Studio e.V. / German Hasenfratz)

Links: Geschenke aus dem Schwarzwald: Kirschwasser und Speck. Der regierende Bürgermeister Berlins Klaus Schütz, Hans Pfitzer und Bully Buhlan 1972 in Berlin. Rechts: mit Fritz Ewald, dem Macher des Festivals “VS Swingt” (Archiv Pfitzer / MPS-Studio e.V.)

„Als ich zehn war, begann meine Violinenausbildung; ich geigte im Schulorchester. Der Jazz erschloss sich mir in meinen frühen Jahren nicht. Doch jetzt – viele Jahre später – begriff ich von Mal zu Mal, da mir mein Beruf Gelegenheit zum Jazzhören gab, mehr, was die Gemeinde der Jazzliebhaber begeistert und eint. So hatte ich die Gelegenheit, Oscar Peterson beim Hauskonzert (Villa Brunner-Schwer) zu hören, durfte in München die Count Basie Band erleben, kam in persönlichen Kontakt zu vielen Musikern, zu Friedrich Gulda etwa … der MPS-Pfitzer des Jahres 1968 war jazzmäßig eher unterbelichtet, also bat er den so genannten Jazz-Papst J.E. Berendt um Hilfe bei der Kategorisierung.“

Hans Pfitzer (links) 1970 im Ronnie Scotts Jazz Club in London mit HGBS (2. von rechts), Ronnie Scott (ganz rechts)

Hans Pfitzer notierte mit fortlaufendem Nummernsystem akribisch seine Aufgaben in ein Auftragsbuch: MPS-Kataloge, Einladungen, Anzeigen, Pressetexte, Betreuung der Journalisten und TV, Plattencover, Künstlerbetreuung bis hin zur Konzeption der Cover-Ausstellung Meca ’72, im übrigen eine Idee der Gattin von HGBS – Marlies Brunner-Schwer. Bis zu 4 Mitarbeiter wurden in seiner Abteilung in der Richthofenstrasse beschäftigt. Er vergab auch Gestaltungsaufträge für Cover u.a. an Wolfgang Baumann, Heinz Bähr, Gigi Berendt, Donald Brun und andere. Der erste erfasste Auftrag, versehen mit der Auftragsnummer 01 vom 7.6.1968, war das Cover für „Nonet“ von Karel Velebny, die letzten Aufgaben im Jahr 1981 mit den Nummern 968 und 969 umfassten eine Anzeige für das Programmheft des Festivals “VS Swingt” und das Layout für eine Veröffentlichung mit Freddie Hubbard.

Oben links: Aufbau Ausstellung Meca’72, auf der Leiter Hans Pfitzer. Oben rechts: das prämierte Plakat für Meca ’72, eine Zusammenarbeit Pfitzers mit dem Grafiker Heinz Bähr. Unten: Dave Pike Set spielt bei einer Meca ’72 Ausstellung in Hannover. (Fotos ©MPS-Studio e.V./German Hasenfratz)

Pfitzer gestaltete viele Cover für MPS, von Oscar Peterson, Horst Jankowsi bis Friedrich Gulda. Für die eingereichten Artworks anderer Grafiker wickelte er die finalen Layouts, Typografie und Produktion ab. Den Namen Pfitzer findet man selten auf MPS-Covern. HGBS stellte sich gegen den „Personenkult“ (Ausnahmen machte er allerdings bei sich selbst). Dazu gab es später auch schriftliche Erlässe um dies möglichst zu unterbinden.

„ich verweise ausdrücklich darauf , dass längst nicht alle MPS-Covers von mir gestaltet wurden. Bei fremd produzierten LPs wurden vielfach auch die Druckvorlagen für die Covers mitgeliefert. So hat zB. CAMPI Music (das Label von Gigi Campi) für die LPs der Clarke-Boland-Big Band die von Heinz Bähr gestalteten Cover mitgeliefert. Manche Musiker legten Wert darauf, das Cover von einem befreundeten Grafiker gestalten zu lassen oder griffen selber zur Feder, wie etwas Hans Koller oder Volker Kriegel. Produziert indessen wurden ab Juni 1968 alle MPS-Schallplattenhüllen, auch die nicht von mir gestalteten, durch mich.“

Entwurf von Pfitzer für Oscar Peterson LP. Unten rechts: Die SHQ / Karel Velebny LP war die Nr.1 im Auftragsbuch Pfitzers.

In seinen Erinnerungen beschreibt er alle Abteilungen des MPS-Unternehmens und einige der Akteure bei MPS. Hier beschreibt er die Bar des Tonstudios, die heute denkmalgeschützt ist:

….das Tonstudio ist aufgeteilt in Vestibül, Aufnahmeraum, Schneide/Regieraum und Archivräume. Im Vestibül gibt es einen gemütlichen Verweilplatz mit Tisch und Eckbank, daneben steht die Bartheke. Die Getränkeauswahl ist stets ausreichend, trifft auch spezielle Geschmacksrichtungen der Musiker. Selbstverständlich muss Konsumiertes abgerechnet werden. Das Kassieren obliegt der Cutterin oder einer Assistentin. Bei Biertrinkern unter den Musikern ist das „Tannenzäpfle“ der Renner. Weißweintrinker bevorzugen HGBS‘ Lieblingsrebe Auggener Schäf, ein Gutedel aus dem Markgräfler Land, dessen Bekömmlichkeit der Boss lobt. Musiker sind kaum ohne männliches oder weibliches Begleitpersonal im Studio gewesen. So transmutierte manchmal ein Teil der eben erhaltenen materiellen Gage im Dämmerlicht der Barbeleuchtung zu Immateriellem. Fuhren dann nach Mitternacht die Taxen vor, hatte dies seinen Grund. Doch entstanden in hitzigen Debatten ebenso auch neue Weltentwürfe und manche Produktionsideen.“

Die Bar des MPS-Studios auf einem Foto von 2022. Heute stehen wieder Menschen für ein Bier oder Glas Wein an der Theke, wenn aufgenommen wird oder ein Konzert stattfindet. (Foto © MPS-Studio e.V.)

Als die beste Zeit bei MPS beschreibt er die Jahre zwischen 1968 und 1976. Viele der Musiker und Produzenten konnte er durch seine Arbeit persönlich kennenlernen, ein wichtiger Aspekt für ihn, vor allem wenn er diese auch gut leiden konnte. Albert Mangelsdorff gehörte u.a. dazu, mit dem Produzenten Dietrich Schulz-Köhn verband ihn eine persönliche Freundschaft. Der Planet MPS schien ihm über viele Jahre ein zweites Zuhause gewesen zu sein. In seinen Aufzeichnungen findet man folgende Erinnerung:

„Das besondere Erlebnis dieses Jahr: die Mondlandung von Apollo 11 am 21.Juli 1969. Wir erlebten sie im Tonstudio; Rolf Donner (der Tonmeister bei MPS) hatte ein TV-Gerät aufgestellt.“

Cover Horst Peter: „mit diesem Cover musste ich Willi Fruths (MPS-Produzent) Vorliebe für Frivoles Tribut zollen. Wenn auch ungern, ich musste das Design liefern.“ Rechts: Die Auftragsnummer 136 von Pfitzer für die Firehouse Charleston Band. Beide LPs wurden für das Unterlabel Center entwickelt.

1981, nach fast 1000 Aufträgen, die sich im Auftragsbuch angesammelt hatten, trennten sich schließlich die Wege von MPS und Hans Pfitzer. Die Höhen und Tiefen des Musikgeschäfts erlebte er aus nächster Nähe, da er detailliert die Verkaufszahlen, den enormen finanziellen Aufwand für Vertriebsmarketing und die damit verbundenen Probleme dieser Musiksparte einsehen konnte. Der von Musikern immer wieder formulierte Vorwurf, die Promotion- und Werbeaktivitäten bei SABA/MPS wären spärlich gewesen, lässt sich nicht ohne weiteres verifizieren. Das MPS-Studio Archiv gibt einen guten Überblick wieviel Geld zeitweise in Anzeigen, PR-Aktivitäten, Tourneen und weitere Maßnahmen geflossen ist. Alleine die Anweisungen aus der Chefetage für die Wünsche hinsichtlich der Marketingaktivitäten des Labels füllen Ordner. Gemessen daran, dass wir hier über eine musikalische Nische sprechen, war der finanzielle Aufwand definitiv exorbitant. Manchen Musikern wünscht man an dieser Stelle etwas mehr Realitätssinn in Bezug auf die Plattenverkäufe und das Genre, in dem sie sich bewegen.

Hans Pfitzer am 22.2.2024 im MPS-Studio bei einem Konzert mit Mario Batkovic (©MPS-Studio e.V. / Tøni Schifer)

Im Jahre 2024 hat sich Hans nochmals aufgerafft uns bei einem Konzert im MPS-Studio zu besuchen. Er war unser ältestes Mitglied. Ein Gehstock half ihm den Treppenaufgang zum ersten Geschoss des MPS-Studios zu bezwingen. Der Schweizer Mario Batkovic spielte ein Konzert im Studio. Es sollte Hans’ letzter Besuch an alter Wirkungsstätte sein. Als er sich verabschiedete zückte er noch einmal verschmitzt seine Mundharmonika aus der Hosentasche und spielte an der MPS-Theke ein kurzes Ständchen.

Am 24.1.25 habe ich ihn zum letzten Mal in einem Villinger Seniorenstift besucht. Es war offensichtlich, dass er sich auf seine letzte Reise machte. Eine Woche später ist er gestorben. Lebe wohl lieber Hans. Danke für Alles.

(Tøni Schifer, Februar 2025)

Das MPS-Gästebuch, das Hans Pfitzer angelegt hat, mit vielen prominenten Einträgen. Sowie eine Einladung 1974 und ein Schreiben von J.E. Berendt an Pfitzer.

Nachtrag: die Söhne Andreas und Martin Pfitzer haben uns im Studio besucht und unserem Verein einige wunderbare Dinge überlassen, die uns große Freude bereiten: darunter das Original-Artwork der sehr empfehlenswerten Don Sugar Cane Harris-LP „Keyzop“, gefertigt aus Eierschalen von Keefe West. Die Typografie wurde von Grafiker Ulli Eichberger gestaltet, der auch für das legendäre Artwork des CAN Album „Tago Mago“ verantwortlich war. Herzlichen Dank, liebe Familie Pfitzer!

Das Original Artwork aus Eierschalen von Keefe West, auf der Rückseite handschriftlich eine Widmung an Hans Pfitzer. Daneben die MPS-Veröffentlichung aus dem Jahr 1975. (Foto © MPS-Studio e.V.)